Wenn ältere Menschen ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen, sollte die Beantragung eines Pflegegrades in Betracht gezogen werden. Denn bereits mit Pflegegrad 1 erhalten Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wertvolle Unterstützung und Entlastung.


Definition Pflegegrad 1

Über den Pflegegrad wird festgestellt, wie hoch die Pflegebedürftigkeit einer Person ist. Dabei wird zwischen fünf Pflegegraden unterschieden. Je höher die Pflegebedürftigkeit, desto höher ist auch der Pflegegrad:


  • Pflegegrad 1 (12,5 bis unter 27 Punkte): geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

  • Pflegegrad 2 (27 bis unter 47,5 Punkte): erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

  • Pflegegrad 3 (47,5 bis unter 70 Punkte): schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

  • Pflegegrad 4 (70 bis unter 90 Punkte): schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

  • Pflegegrad 5 (90 bis 100 Punkte): schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

(Quelle: Sozialgesetzbuch XI, § 15


Pflegegrad 1 ist damit der niedrigste Pflegegrad. Er wird vergeben, wenn die Selbstständigkeit oder die Fähigkeiten einer Person gering beeinträchtigt sind. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um körperliche Beeinträchtigungen, die mit zunehmendem Alter auftreten. 


Voraussetzungen für Pflegegrad 1

Die Pflegebedürftigkeit entwickelt sich im Alter in vielen Fällen schleichend. Damit die Senioren und ihre pflegenden Angehörigen mit der Situation nicht überfordert werden, sollte frühestmöglich ein Pflegegrad beantragt werden. Dazu muss ein Antrag bei der Pflegekasse der betroffenen Person eingereicht werden. 


Diese entsendet bei gesetzlich Versicherten für die Beurteilung des Pflegegrades einen Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) oder bei privat Versicherten einen sogenannten Medicproof. Diese führen dann eine Begutachtung durch, bei der sechs Lebensbereiche, die als Module bezeichnet werden, betrachtet werden. Bereiten Sie Ihre Angehörigen und sich auf diese Begutachtung am besten bereits vor, indem Sie wichtige Dokumente und Informationen wie benötigte Medikamente, Medikationsplan und Hilfsmittel, Arzt- und Krankenhausberichte der letzten zwölf Monate und – falls vorhanden – die Pflegedokumentation bereitlegen. Auch die Anwesenheit Ihrer Liebsten bei der Begutachtung gibt vielen Personen Sicherheit.



Module bei der Begutachtung

Bei der Begutachtung werden folgende Bereiche betrachtet:


  • Mobilität: Hier wird geprüft, wie selbstständig sich die Person in der eigenen Wohnung bewegen kann und alltägliche Aufgaben körperlich bewältigt.

  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Der Gutachter schätzt ein, ob die Person noch selbstständige Entscheidungen treffen, ihre Bedürfnisse und Wünsche äußern und mit anderen Menschen interagieren kann.

  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Leidet die Person unter psychischen Problemen wie Ängsten oder Depressionen, kann ebenfalls eine Pflegebedürftigkeit vorliegen.

  • Selbstversorgung: Werden Aufgaben des täglichen Lebens – vom selbstständigen Toilettengang über die Körperpflege bis zur Zubereitung von Essen – nicht mehr (vollständig) allein bewältigt, so ist dies ein Indikator für eine Pflegebedürftigkeit.

  • Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen: Im Alter fallen häufiger Arztbesuche an, aber auch Therapien oder Medikamenteneinnahmen sind aufgrund von Erkrankungen in vielen Fällen erforderlich. Deshalb schätzt der Gutachter ein, ob diese Anforderungen selbstständig bewältigt werden können.

  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Anzeichen für eine Pflegebedürftigkeit kann auch sein, dass eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihren Alltag selbstständig zu planen, sich zu beschäftigen und andere Menschen zu treffen.

(Quelle: Sozialgesetzbuch XI, § 15)



Ermittlung der Gesamtpunktzahl

Für die Ermittlung der Pflegebedürftigkeit werden in diesen Bereichen Punkte vergeben, die unterschiedlich gewichtet zu einer Gesamtpunktzahl führen. Mit einer Gewichtung von 40 Prozent wird der Fähigkeit zur Selbstversorgung die größte Bedeutung zugeschrieben. Mit 20 Prozent hat der selbstständige Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen die zweithöchste Gewichtung. Die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte folgt mit 15 Prozent, danach die Mobilität mit 10 Prozent. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen fließen mit 7,5 Prozent in die Gesamtbewertung ein. 


Daraus ermittelt der Gutachter dann die Gesamtpunktzahl. Liegt diese im Bereich zwischen 12,5 und unter 27 Punkten, liegt ein Anspruch auf Pflegegrad 1 vor. Sollte die betroffene Person überraschenderweise eine niedrigere Punktzahl erreichen, drohen Ihnen keine Nachteile. In diesem Fall können Sie den Antrag auf Pflegeleistungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut stellen. Deshalb sollten Sie nicht zu lange zögern, einen Antrag einzureichen. In den meisten Fällen „verschenken“ Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Geld, weil sie unsicher sind, ob sie einen Antrag stellen sollen. Rückwirkend kann kein Geld ausgezahlt werden. 



Formale Anforderungen

Neben der Pflegebedürftigkeit gibt es noch formale Anforderungen, um Leistungen aus der Pflegekasse zu erhalten: Die Betroffenen müssen in den zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre in die gesetzliche Pflegeversicherung oder die private Pflegeversicherung eingezahlt haben. Bei Kindern zählt, wie lange die Eltern bereits eingezahlt haben.


Pflegegrad 1 beantragen

Die Beantragung eines Pflegegrades ist ein unbürokratischer Vorgang. Dazu muss die betroffene Person oder ein Bevollmächtigter oder Betreuer von dieser, einen formlosen Antrag mit dem Satz "Ich stelle einen Antrag auf Leistungen der Pflegekasse" bei der Pflegekasse einreichen. Möglich ist dies per Post, E-Mail oder Telefon. Es empfiehlt sich jedoch eine schriftliche Antragstellung, damit Sie diese nachweisen können. 


Da die Pflegekassen bei den Krankenkassen angesiedelt sind, kann der Antrag also einfach an den Krankenversicherer geschickt werden. Diese leiten den Antrag an die Pflegekasse weiter, die Ihnen ein Formular zuschickt, über das Sie Pflegeleistungen beantragen können. Danach entsendet die Pflegekasse den Medizinischen Dienst mit einem Gutachter (gesetzliche Versicherung) oder das private Versicherungsunternehmen einen Medicproof, der ein Gutachten über die Pflegebedürftigkeit erstellt. Dieses dient der Pflegekasse als Grundlage, um über den Pflegegrad zu entscheiden. Sollte die Pflegeversicherung einen ablehnenden Bescheid versenden, können Sie in den Widerspruch gehen.


Genauso läuft das Verfahren ab, wenn Sie nach Pflegegrad 1 einen höheren Pflegegrad beantragen wollen, weil sich der Zustand der pflegebedürftigen Person verschlechtert. Es findet dann eine erneute Begutachtung statt.


Leistungen Pflegegrad 1

Sobald der Pflegegrad durch die Pflegekasse bescheinigt wurde, erhält die pflegebedürftige Person Leistungen. Mit diesen kann die Versorgung und Betreuung in häuslicher Pflege unterstützt werden, indem ambulante Pflegedienste oder andere Pflegedienstleister beauftragt sowie Pflegehilfsmittel und Anpassungen der Wohnsituation finanziert werden.


Entlastungsbetrag

Die größte Unterstützung bei Pflegegrad 1 ist der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich. Damit können beispielsweise Besuche von einem ambulanten Pflegedienst zur medizinischen Versorgung, eine Reinigungskraft oder stundenweise Betreuung finanziert werden.


Pflegehilfsmittel

Ab Pflegegrad 1 stehen monatlich 40 Euro für verbrauchbare Pflegehilfsmittel zur Verfügung. Dazu zählen beispielsweise Schutzmasken, Handschuhe oder Bettschutzeinlagen. 


Hausnotruf

Um im Notfall einen Notruf absetzen zu können, erhalten pflegebedürftige Personen 25,50 Euro pro Monat für einen Hausnotruf.


Digitale Pflegeaufwendungen

Pflegebedürftige mit Pflegegrad haben in der ambulanten Pflege Anspruch auf bis zu 50 Euro monatlich für digitale Pflegeaufwendungen (DIPA). Dabei handelt es sich um digitale Anwendungen, um die Mobilität oder kognitivekognitiven Fähigkeiten zu erhalten oder die Pflege und Kommunikation zwischen Pflegebedürftigen und Pflegenden zu organisieren.


Wohnraumanpassungen

Sind in der Folge der Pflegebedürftigkeit Anpassungen am Wohnraum notwendig, kann dazu ab Pflegegrad 1 ein Zuschuss von bis zu 4.000bis 4.000 Euro beantragt werden. Bei mehreren pflegebedürftigen Personen in einem Haushalt erhöht sich dieser Beitrag entsprechend bis zu einer Maximalsumme von 16.000 Euro.


Wohngruppenzuschuss

Neben der häuslichen Pflege durch Angehörige ist auch der Einzug in eine Pflege-Wohngruppe eine Option. Dort leben Pflegebedürftige zusammen. Ab Pflegegrad 1 ist dazu ein Zuschuss von 214 Euro möglich. Zudem kann die Gründung einer Pflege-Wohngruppe mit einmalig bis zu 2.500 Euro unterstützt werden. Auch hier ist die Maximalfördersumme bei vier Wohngruppen-Bewohnern, also bei 10.000 Euro pro Wohngemeinschaft, erreicht.


Pflegegeld

Bei Pflegegrad 1 besteht noch kein Anspruch auf Pflegegeld. Dieses wird erst ab Pflegegrad 2 gezahlt.


Leistungen bei höheren Pflegegraden

Ab Pflegegrad 2 kommen neben dem Pflegegeld monatliche Budgets für Pflegesachleistungen, Tages- und Nachtpflege und vollstationäre Pflege hinzu. Hier stehen je nach Pflegegrad unterschiedlich hohe Budgets zur Verfügung. Zudem können ab Pflegegrad 2 jährlich 1.774 Euro für die Kurzzeitpflege und 1.612 Euro für die Verhinderungspflege genutzt werden.


(Quelle: Sozialgesetzbuch XI, Kapitel 4)